Wie man in den Himmel kommt


Eigentlich ist alles ganz einfach. Gehen wir einmal von der (freilich mit allem Recht in Frage zu stellenden) Annahme aus, daß die christliche Religion die „überirdische“ Wahrheit treffend beschreibt, dann können wir anhand einer kurzen Checkliste jeden einzelnen Zeitgenossen (gemeint ist natürlich der Leser selbst) „überprüfen“ hinsichtlich seiner „Chancen“, nach seiner diesseitigen Existenz und dem Tod in den Himmel zu gelangen (im Christentum sind alle Seelen unsterblich, nur werden die „schlechten“ ewig leiden, während die „guten“ ewige Freude erwartet). Jene einfachen Fragen sind mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten und lautet etwa folgendermaßen (Zur Vereinfachung nehmen wir an, daß dem Gefragten die Begriffe „Gott“, „Christus“, usw. in der unten gemeinten Bedeutung bekannt sind; „Unwissende“ müssen nach anderen Kriterien beurteilt werden):



Für diejenigen unter uns, die das Christentum nicht „kennen“, d.h. keinen ausreichend gefestigten Begriff von „Gott“ und „Jesus“ haben, um die oben aufgeführten Fragen „voller Überzeugung“ bejahen zu können:



Eine eigentlich redundante Folgefrage, an dieser Stelle nur für „juristische Haarspalter“ mitaufgenommen (Redundant meint: Konsequenterweise läßt sich diese Frage nicht mit „Nein“ beantworten, wenn nicht auch eine der vorigen Fragen mit „Nein“ beantwortet wurde, dann aber spielt die Antwort auf diese Frage auch keine Rolle mehr):


Diese letzte Frage macht klar, daß es keine Möglichkeit der „Einschränkung“ oder „Abschwächung“ der oben gemachten moralischen Weltanschauung geben kann. Es ist einfach nicht möglich, zu glauben und dann nur ein bißchen oder nur zu bestimmten Gelegenheiten christlich zu leben. Beispielsweise ist es völlig unsinnig, bei der Steuererklärung zu mogeln oder Schwarzarbeit zu praktizieren (oder sich selbst 'mal eben etwas schwarz „machen“ zu lassen) oder bei einem Geschäft jemand zu übervorteilen oder stets Gleiches mit Gleichem zu vergelten, oder hartnäckig Vergeltung zu fordern statt zu verzeihen; dies alles oder einiges davon zu tun und gleichzeitig fromm in die Kirche zu gehen. Sinnlos deshalb, weil damit alle guten Werke und Absichten sofort bedeutungslos werden.


Das ist in meinen Augen überhaupt das Entscheidende: Nicht auf die Werke kommt es an, sondern auf die innere Einstellung. Und die muß (und wird) sich in der Gesamtheit aller Handlungen und Entscheidungen wiederspiegeln. Wer 'mal richtig und 'mal falsch handelt, ist in diesem Sinne nicht besser als jemand, der immer sündigt, denn hinter einem „mal so und mal anders“ kann keine feste Überzeugung stehen, kein entschlossenes „Ja“ zu den oben genannten, alles entscheidenden Fragen unseres Lebens!


Der Leser meint, das ist hart? Zu hart für das doch „schwache“ und „fehlerhafte“ Menschengeschlecht? Nun, tut mir leid, lieber Leser, aber das ist nun mal die Offenbarung Gottes. Du hast natürlich die Möglichkeit, das alles kategorisch abzulehnen, aber damit verurteilst Du Dich selbst definitiv zur Hölle (Über den Begriff der „Hölle“, wie ich ihn hier verwende, wird noch zu reden sein).


Aber damit kein Mißverständnis aufkommt: Aus dem bisher Gesagten folgt nicht zwangsläufig die ewige Verdammnis für alle Menschen, da sie nun mal alle unvollkommen sind. Denn Gott bietet den Menschen eine einzigartige Möglichkeit, der schrecklichen Wirkung einmal geschehener Verfehlungen zu entkommen: Gemeint ist der Prozeß der Reue, der es uns ermöglicht, Vergebung zu erlangen für unsere erkannten schlechten Taten. Wenn wir voller Aufrichtigkeit bedauern, was wir als Sünde (ebenfalls ein Begriff, der einer anschaulichen Definition bedarf) erkannt haben, dann wird der barmherzige und gnädige Gott uns von der Last dieses Makels befreien.


Pedantische „Missionare“ vermissen an dieser Stelle evtl. den Hinweis auf die Notwendigkeit von zwei für den Nachlaß der Schuld wesentlichen Momenten, nämlich das Bekenntnis der Schuld vor der Kirche und den Willen zur Wiedergutmachung. Beide Punkte sind meines Erachtens aber ebenso redundant (das heißt, sie ergeben sich ebenso natürlich aus der echten Reue) wie die Zusatzfrage oben. Es ist unmöglich, daß jemand (es sei denn, er ist schizophren oder leidet an sonstigen krankhaften Geisteszuständen) aufrichtig bereut, ohne seine Schuld vor der Gemeinschaft, in der er lebt, offen zu bekennen oder ohne zu versuchen, das angerichtete Unheil wieder “gut“ zu machen, wenn er eine Möglichkeit dazu sieht. Während der zweite Punkt wahrscheinlich sofortige intuitive Zustimmung findet, bedarf der erste vielleicht noch einer Erläuterung: Wieso ist das Bekenntnis der eigenen Verfehlung eine natürliche Konsequenz der Reue? Ich will es mit einem Beispiel versuchen:


An einem aufwendigen und teuren Forschungsprojekt sind viele Wissenschaftler beteiligt. Sie alle haben monatelang gearbeitet um ein kompliziertes Experiment vorzubereiten, das nun durchgeführt werden soll. Jede Wiederholung des Versuchs verursacht enorme Kosten, deshalb ist es ungeheuer wichtig, alle Fehler möglichst auszuschließen, geschweige zweimal zu machen. Das Experiment wird durchgeführt - und scheitert. Und noch schlimmer: Niemand erkennt, warum. Nur ein Forscher bemerkt, daß ihm aus Nachlässigkeit einen Fehler bei seinen Vorbereitungen unterlaufen ist. Ihm ist klar, daß er allein die Verantwortung für den Fehlschlag trägt, aber er zögert, sich zu seinem Fehler zu bekennen. Er fürchtet, sich vor seinen Kollegen zu blamieren und evtl. für die kostspielige Versuchs-Wiederholung zur Rechenschaft gezogen zu werden. Dennoch würden wir wohl alle zustimmen, daß es in dieser Situation absolut notwendig ist, seine Schuld offen auszusprechen, denn niemand wird das Experiment unter den gleichen Voraussetzungen wiederholen, ohne die Ursache für den ersten Fehlschlag zu kennen. Zwar kann man ihn nicht ungeschehen machen, wohl aber die Sensibilität auf die Schwachstelle richten, daraus lernen und in Zukunft besser zusammen arbeiten. Wenn der Wissenschaftler also seine Schuld klar erkennt und ehrlich bereut, wird er, um seinem Team (wie auch sich selbst) eine zweite Chance zu geben, seinen Fehler offen bekennen.


Immer wieder bringt der durchaus Schuldbewußte in weniger offensichtlichen Situation das Argument: „Aber es nützt doch niemandem, wenn ich mich jetzt vor aller Welt zu meiner Verfehlung bekenne - im Gegenteil, der Vertrauensverlust erschwert mir nur meine zukünftige Arbeit und damit auch meine guten (Besserungs-)Absichten. Hier wird vor allem eines ganz deutlich: Der Sünder hat kein Vertrauen in (die Vergebungsfähigkeit) seine(r) Gemeinschaft, er hat dieses Vertrauen offenbar verloren. Schon deshalb „bringt“ es ihm etwas, zu bekennen, nämlich die Möglichkeit, sein Vertrauen durch eine ganz konkrete Tat wiederzufinden. Ohne dieses Vertrauen sind auch die obigen „Ja“-Bekenntnisse entstellt und „wertlos“ - ohne dieses Vertrauen in die Gemeinschaft wird das Vertrauen zu Gott selbst „unglaubwürdig“. Dieses Vertrauen ist aber essentiell für unsere Rettung!


Und machen wir uns bitte nichts vor. Jede(!) Sünde schadet nicht nur dem Individuum, sondern auch der Gemeinschaft und deshalb ist auch das freiwillige Aufdecken jeder Verfehlung nicht nur für den Einzelnen sondern für alle „gut“. Gerade das Argument, es reiche doch vollkommen, seine Schuld vor Gott im Gebet zu bekennen offenbart die Halbheit eines solchen Glaubens. Gottes Gebot der Nächstenliebe wird verletzt durch das Verschweigen der eigenen Schuld vor den Mitmenschen, und man kann nicht Gott lieben, aber die Welt und ihren Anspruch auf die Wahrheit ignorieren.


Das kirchliche Angebot der Beichte ist dabei eher zu wenig als „zuviel des Guten“! Man kann den Sachverhalt nicht oft genug klar aussprechen: Wer seine Schuld aufrichtig bereut, der hat auch das drängende Bedürfnis, sie offen vor der Welt (mindestens vor den Leidtragenden) zu bekennen, und wer diese Tat scheut oder ihre unbedingte Richtigkeit leugnet, dessen Reue ist unehrlich und damit wirkungslos!


Daß allein der Glaube, die innere Einstellung über unser zukünftiges Heil entscheidet und nicht eine mehr oder weniger stattliche Anzahl von guten Werken, ist zugleich ein Trost und eine Hoffnung für alle heute noch nicht bekehrten Menschen. Buchstäblich bis zu seinem letzten Atemzug hat jeder Mensch die Möglichkeit, das Ruder noch herum zu reißen. Freilich wird die Schuldeinsicht in die hinter ihm liegende Zeit der Sünde immer größere seelische Schmerzen verursachen, je später sie erfolgt. In diesem Sinne verfügt jeder von uns nicht nur über den Schlüssel zu seiner Erlösung sondern wir bestimmen auch selbst die Dauer unseres eigenen Fegefeuers (Natürlich ist es allein Gottes Allmacht überlassen, endgültig zu bestrafen oder zu erlösen. Unsere Freiheit, „Ja“ oder „Nein“ zum Angebot seiner Gnade zu sagen, wird aber ernst genommen!).


Glossar:


fromm

reine Rechtmäßigkeit übertreffendes, von Liebe geprägtes Handeln gegenüber Gott und den Mitmenschen

Gott

Der Schöpfer der Welt, die Personifizierung des Guten und Gerechten

Himmel

Zustand ewiger Seligkeit

Hölle

Zustand ewigen Kummers

Jesus (Christus)

Historisch belegte Persönlichkeit, die von sich selbst behauptet hat, Gott gleichgestellt zu sein

Sünde

freiwillig und bewußt begangene wesentliche Verletzung der göttlichen Gebote