Hallo zusammen,


dies ist der Bericht unserer Island-Reise, die Ricarda und ich vom 2. bis zum 16. Juli 2011 genießen konnten.

Hier zunächst eine kleine Übersicht aus Google Maps:

Die von uns zurückgelegte Gesamtstrecke war ungefähr 2200 km lang (einige Tagesausflüge und kleinere Abstecher nicht eingerechnet) und führte uns unter anderem durch die „Ortschaften“ Keflavík (A), Reykjavik (O), Vík (C), Landmannalaugar (N), Varmahlíð (F), Akureyri (G), Ásbyrgi (H), Mývatn (I), Askja (J), Egilsstaðir (K), Höfn (L), Skaftafell (M), und wiederum Landmannalaugar zurück nach Reykjavik und Keflavík.


Wer lieber (nur) Fotos anschauen will, kann hier klicken.


Island hat eine Fläche von ca. 100.000 qkm und ist damit ungefähr so groß wie die ehemalige DDR – sie ist die größte vulkanische Insel der Welt und liegt ganz knapp unterhalb des Polarkreises (ca. 66. Breitengrad). Von Deutschland aus ist sie in ca. 3,5 Flugstunden zu erreichen, was auch nicht länger dauert als eine Reise nach Griechenland oder auf die Kanaren. Gleichwohl empfanden wir die subpolaren klimatischen Bedingungen und vor allem die visuellen Eindrücke viel exotischer als die vorgenannten Reiseziele – bzgl. seiner „Andersartigkeit“ kann ich Island von allen Urlaubszielen aus meiner Erfahrung eigentlich nur mit Kuba vergleichen, wobei die Temperaturen wirklich nichts miteinander zu tun haben ;-)

Was übrigens die Temperaturen angeht, muss ich konstatieren, dass ich den polaren Einfluss auf Island ein wenig „unterschätzt“ hatte. Naiver Weise war ich davon ausgegangen, dass sich Island im Hochsommer eigentlich so warm anfühlen müsste wie Deutschland im Frühling (wobei mir ein sonniger, lauer Tag vorschwebte). Nun, unser Reiseleiter berichtete uns unterwegs, dass 2011 in Island der kälteste Sommer seit 1952 sei, was sich in Tagestemperaturen von zum Teil unter 5 Grad bemerkbar machte. Nachts soll das Thermometer auch unter Null gefallen sein – ich habe aber darauf verzichtet, das nachzumessen.

Passender Weise war dies für Ricarda und mich auch unser erster Camping-Urlaub seit vielen Jahren, und ich hatte mich für die Übernachtungen im Doppelzelt einem fast neuen Indoor-Schlafsack mit sehr geringem Packmaß anvertraut. Ich muss zugeben, diese Vorbereitung war suboptimal – ebenso wie meine Strategie, abends Unmengen Tee (das war im Prinzip das einzige warme Getränk unterwegs außer Kaffee) zu konsumieren, was einige nächtliche Besuche der jeweils am gegenüberliegenden Ende unserer Zeltplätze liegenden Waschräume erforderlich machte. Diese Ausflüge sorgten bei den o.g. Temperaturen, manchmal garniert mit Nieselregen, und bekleidet mit „Schlafanzug“ und Trekkingstiefeln, nicht eben für Wohlfühlstimmung.

Meine Schlafbekleidung wurde dementsprechend im Verlauf unserer Reise immer umfangreicher oder anders ausgedrückt: vielschichtiger. Man(n) arrangiert sich halt so gut es geht. Insgesamt waren Ricarda (die sich übrigens rechtzeitig einen neuen Polarschlafsack zugelegt hatte) und ich jedoch positiv überrascht, wie gut wir als quasi Camper-Frischlinge mit den für unsere Gewohnheiten spartanischen oder rudimentären Bedingungen zurecht kamen.


Auf der anderen Seite hatten wir vergleichsweise viel Glück mit dem Wetter, denn es regnete nur an wenigen Tagen. Man muss nämlich wissen, dass der Juli zwar der wärmste aber auch der regenreichste Monat in Island ist. Allerdings schwanken die Niederschlagsmengen zeitlich und örtlich ganz erheblich. Es soll auch schon Touren gegeben haben – so Timm, unser Reiseleiter –, die 14 Tage Dauerregen zu erdulden hatten – das lobten wir uns doch die kalte klare Luft!

Obwohl wir uns während der ganzen Reise unterhalb des Polarkreises befanden und schon ein paar Tage nach der Sommersonnenwende unterwegs waren, wurde es doch zu keinem Zeitpunkt unseres Urlaubs auch nur annähernd dunkel. Das liegt an der in Island viel längeren Dämmerung. Nach dem Sonnenuntergang bleibt es deshalb noch seeehr lange hell, und im Sommer geht die Abenddämmerung nahtlos in die Morgendämmerung über. Ich kann das bezeugen, denn ich brauchte bei meinen nächtlichen Ausflügen nach ihr-wisst-schon keine Taschenlampe ;-)

Island ist eine – erdgeschichtlich gesehen – sehr junge Insel, und sie ist zu 99% vulkanischen Ursprungs. Das sieht man aller Orten und in allen vor- bzw. unvorstellbaren Facetten. Ich weiß nicht, ob es an der sauberen Luft lag oder an einem besonderen Einfallswinkel des Sonnenlichts, aber die Berge und Ebenen leuchteten in einer Intensität und Farbpalette, wie wir sie in der Natur bisher noch nirgendwo gesehen haben. Die geologischen Strukturen sind sehr vielfältig, obwohl doch alles aus Vulkanen hervor gegangen ist, und das zum Teil erst vor wenigen Jahren und Jahrzehnten.

Nun aber zu unserem Reiseprotokoll:


Samstag, 2.7.:

(Für unsere Verhältnisse) sehr frühes Aufstehen um 5 Uhr. Langes Ausschlafen gehörte leider nicht zum Programm dieses Urlaubs. Problemlose Fahrt zum Düsseldorfer Flughafen und Flug nach Reykjavik. Die Insel lag unter einer dichten Wolkendecke, also erstmal keine spektakuläre Vogelperspektive. Auf dem Flughafen trafen sich bereits gut ein Drittel der Mitreisenden, die alle mit demselben Flieger gekommen waren. Dort begrüßte uns Timm, der nette und sehr kompetente Reiseleiter, der uns in einen Linienbus in die Hauptstadt Reykjavik schickte, weil er selbst noch bis zum Abend weitere Mitreisende in Empfang nehmen musste. Wir fanden den Campingplatz ohne Schwierigkeiten und konnten dort unsere Zelte beziehen. Für Ricarda und mich war das „Leben“ auf dem Campingplatz anfangs ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber wir ergaben uns recht schnell in unser Schicksal. Zelten ist für Menschen, die viel von Island sehen wollen, praktisch die einzige Alternative, weil es fernab der Küste so gut wie keine Hotels oder Hütten gibt. Außerdem ist es sehr viel günstiger, wobei Island nicht nur als Reiseland insgesamt ein hohes Preisniveau aufweist. Da wir bis zum für den frühen Abend angesetzten „Briefing“ noch Zeit hatten, wanderten wir entlang der Küste in die City und durchstreiften die gemütliche Hauptstadt.



Wir probierten in der berühmtesten Hotdog-Bude der Insel (Hier speisten schon Lady Di und Bill Clinton) ein heißes Würstchen (na ja), beobachteten in einem netten Straßenkaffee die vielen anderen Touristen und Einheimischen, besuchten die postmoderne Kathedrale,



und eine Open-Air-Skulpturensammlung von Islands bekanntestem Bildhauer.



Gegen 19 Uhr lernten wir – zurück auf dem Zeltplatz – die restlichen Mitreisenden kennen, und Timm stellte uns das Programm des nächsten Tages vor. Außerdem gab er uns noch viele Tipps für das Reisen und Campen in nordischen Regionen.

Für den Abend konnte ich (Ricarda) schon unser erstes Date arrangieren. Anders, ein schwedischer Arbeitskollege, machte zufälliger Weise mit seiner Familie ebenfalls in Island Urlaub (einen Tag Überschneidung). Praktischerweise konnte er uns mit dem Auto abholen, und wir fuhren gemeinsam zum Hafen, wo wir gemeinsam in einer ziemlich schrägen Gaststätte frische Meeresfrüchte und später in der Stadt fetten Kuchen und Skyr, eine isländische Joghurt-Spezialität zum Abendessen verspeisten. Interessanterweise sind die schwedische und isländische Sprache zwar miteinander verwandt, aber sie haben sich auch ausschließlich auf Englisch verständigt - eine Sprache, die alle Isländer so perfekt beherrschen wie alle Schweden.

Das Essen war sehr gut, aber auch nicht ganz billig... Zu den Dingen, die es in Island reichlich und in hervorragender Qualität gibt, zählen auf jeden Fall Fische und Wasser, dass man hier bedenkenlos aus jedem Wasserhahn trinken kann. Allerdings nur kaltes! Warmes bis kochend heißes Wasser gibt es ebenfalls im Überfluss, aber es riecht (und schmeckt) immer leicht schweflig. Dies ist beim Duschen gewöhnungsbedürftig, aber die herrschende Kälte machte uns die Überwindung leicht.

Gegen 23 Uhr Ortszeit kamen wir zum zweiten Mal zum Campingplatz zurück. Da war es in Deutschland bereits 1 Uhr nachts. Ziemlich müde und geschafft sanken wir auf die überraschen komfortablen “self inflating” Isomatten, die zusätzlich durch das weiche Gras unter den Zeltböden gepolstert wurden, und schliefen trotz mangelnder Dunkelheit schnell ein.


Sonntag, 3.7.:

Um kurz vor sieben schälte ich (Johannes) mich aus dem Rucksack, um mich duschen zu gehen. An das Frühaufstehen (für unsere und Urlaubs-Verhältnisse) würden wir uns gewöhnen - daran, nahezu jedesmal über den ganzen (teilweise beachtlich großen) Campingplatz laufen zu müssen, um die Waschräume zu erreichen, eher nicht. Auf den meisten Plätzen gab es ausreichend (wenig Wartezeiten) und warme Duschen (die freilich manchmal extra kosteten - ein “Luxus”, den wir uns gerne leisteten). Aber nicht auf allen! Dem Hardcore-Camper sei an dieser Stelle die Wikinger-Trekkingtour durch Grönland ans Herz gelegt. 14 Tage ohne duschen, waschen fakultativ in Seen (3-4 Grad) und Flüssen (eher um die 2 Grad), da kommt Freude auf, und der Kreislauf kommt auf Touren - wenn er nicht vorher kapituliert ;-) Ein bis zwei Tage ohne warmes Wasser bzw. Duschen durften wir aber auch in Island durchleben, und ich muss konstatieren - es fällt kaum auf, wenn’s in der Gruppe alle so halten.


Spätestens beim Frühstück hatten wir dann Gelegenheit, alle Mitreisenden (21 Personen von Ende 20 bis Mitte 70) näher kennen zu lernen, wozu uns beim Briefing keine Zeit mehr geblieben war. Alles nette Menschen mit Ecken und Kanten, insgesamt ein buntes und lustiges Völkchen, welches anschaulich belegte, dass man auch einen “Abenteuer”-Urlaub wie diesen eigentlich in jedem Alter bewältigen und genießen kann.


Das Frühstücksbüffet war einfach aber ausreichend und sättigend. Zwar gibt es in Island nur das typisch amerikanische Weißbrot, aber wenn man dies mit einer Scheibe (vermutlich vom Veranstalter selbst importierten) Vollkornbrot kombinierte, dann ergab das eine Mischung, die durchaus akzeptabel war. Außer Bauch vollschlagen (sowie eine ansehnliche Mengen Kaffee verputzen, der aber “weniger konnte” als wir uns von den als kaffeesüchtig beschriebenen Isländern versprochen hatten) stand hierbei immer auch das “Lunchpaket basteln” auf der Tagesordnung, denn wir hatten nur selten die Gelegenheit, mittags irgendwo groß zum Essen einzukehren. Vielmehr war Rucksack-Kost angesagt - aber auch damit konnten wir uns als verwöhnte Halbpension- und Restauranturlauber recht schnell arrangieren. Eigentlich war es fast immer zuviel, verhungert sind wir definitiv nicht!


Für einen längeren Plausch nach dem Frühstück blieb aber selten Zeit, denn nun galt es i.d.R. die Zelte auszuräumen und seine Siebensachen in unseren Tour-Bus zu schaffen, da wir häufiger die Quartiere gewechselt und oft ein strammes Tagesprogramm mit längeren Fahrtzeiten zu bewältigen hatten. Apropos Bus: Das war vielleicht ein Schätzchen. Ein geländegängiger Allradbus aus den 80er Jahren, der rumpelte und fauchte und uns während der Reise mit nicht wenigen technischen Teilausfällen unterhielt. User Busfahrer hörte auf den Namen “Gülle” und war ein lieber Isländer, der - wie wir fanden, völlig untypisch - lieber in der Stadt blieb und Hochlandpisten bisher vermieden hatte und erst im Laufe der Reise seine Zurückhaltung aufgab. Nun, ich würde sagen, nach unserer gemeinsamen Reise hatte er auch sein Hochland-Diplom erfolgreich bestanden.


Von der Hauptstadt Reykjavik ging es zunächst in südöstlicher Richtung auf die Küste zu.



In Selfoss besichtigten wir unseren ersten Wasserfall. In Island gibt es eine kaum zählbare Menge von Wasserfällen, manche groß, manche klein, manche hoch, manche breit, die meisten für den in dieser Kategorie wenig verwöhnten Rheinländer doch schon sehr eindrucksvoll, aber gegen Ende der Reise reichte es dann auch (“Ach, schon wieder ein Wasserfall - wie nett.”).

Der Seljafoss hat die Besonderheit zu bieten, dass man dahinter lang wandern kann. Das ist zwar eine nicht ganz trockene Übung, aber diese Perspektive hatte schon etwas Einzigartiges.


Von dort fuhren wir dann in die sagenumwobene Thorsmörkschlucht, wo wir eine einstündige Wanderung in einen engen Canyon unternahmen, an dessen Ende wir einen versteckten Wasserfall fanden - sehr eindrucksvoll!

Mittlerweile hatten wir die asphaltierten Straßen hinter uns gelassen und bewegten uns auf Hochland-Pisten. Hier galt es nicht selten, kleiner Bachläufe zu “furten” (im Reisebus ein Erlebnis der besonderen Art) oder versandete Senken zu durcheilen. Tipp: Schnell fahren, sonst gräbt man sich sein, was wir aus eigener Anschauung bestätigen können ;-) Nur gut, dass die Isländer an sich sehr hilfreich sind und der Abschleppwagen auch noch gerade in der menschenleeren Gegend war.

Hierbei touchierten wir übrigens den zu einiger Berühmtheit gelangten Gletscher Eyjafjallajökull (Wer den Namen auf Anhieb richtig ausspricht, ist ein Isländer oder ein Sprachgenie!) und den weniger populären Mýrdalsjökull, bevor wir unseren Zeltplatz in Hellisholar erreichten. Wer eben beim Lesen stutzte: Richtig, der Eyjafjallajökull ist gar kein Vulkan sondern ein (im isländischen Maßstab sogar relativ kleiner) Gletscher, unter welchem sich ein ganzes System von namenlosen Vulkanen tummelt, welche im Frühling 2010 den europäischen Flugverkehr zum Erliegen brachten. Die durchaus zahlreiche Asche liegt dort immer noch großflächig herum und wird für Touristen auf Postkarten und in Seife vermarktet - ja, auch der Isländer ist findig darin, aus Dreck Geld zu machen ;-)


Montag, 4.7.:

Unser erster Viel-Regen-Tag. Glücklicher Weise mussten wir nicht allzu viele davon über uns ergehen lassen. Als Island-Urlauber wird man aber wohl niemals eine Schönwetter-Garantie bekommen. Der Regen selbst war nicht konstant oder heftig, aber die sich auf unsere Kleidung übertragende Feuchtigkeit konnte lange nicht austrocknen - und das nasskalte Gesamtklima trübte auf die Dauer dann schon das Reisevergnügen - zumal auch die Aussicht auf den klammen Zeltplatz am Ziel der Tagesetappe uns nicht wirklich aufzuheitern vermochte.


Wir besichtigten zunächst einen weiteren, diesmal ausladend breiten Wasserfall, den Skógarfoss.




Später machten wir einen längeren Stopp an der Südküste bei Vik, um an einem hübschen Strand aus schwarzem, glänzenden Kies mit einer bizarren Steilküste entlang zu spazieren.




Diese merkwürdig geometrischen, Segment-artigen Strukturen sollten wir während des Urlaubs noch häufiger antreffen. Sie sind - wie nahezu alles auf Island - ein Produkt der vielfältigen vulkanischen Aktivitäten, trotzdem ist der spontane Eindruck schon sehr fremdartig.




Hier, unmittelbar vor der Küste, ragen die “fünf Finger” aus dem Meer. Einer Sage nach (aus dem an Mythen und sagenhaften Gestalten sehr reichen isländischen Repertoire) handelt es sich dabei um versteinerte Trolle. Trolle im Allgemeinen, so die Volksweisheit, vertragen kein Sonnenlicht, und die männlichen Exemplare sind weniger schlau bzw. vorsichtig als ihre weiblichen Pendants. 5 Brüder hatten sich nachts auf dem Meer vor Island herum getrieben und waren zu spät zurückgekehrt, so dass sie nur wenige Meter vor den schützenden Höhlen am Ufer von der Morgendämmerung überrascht worden waren.



Wieder in den Bus zurück gekehrt, setzten wir die Teilumrundung des Mýrdalsjökull fort und stießen dann zunächst nach Norden, später in nordwestlicher Richtung in das zunehmend schroffere, unwirtlichere Herz der Insel vor.



Damit die Busfahrzeiten nicht zu eintönig wurden, versuchte Timm, ab und zu eine Unterbrechung in Form eines besonderen Programmpunktes einzubauen. Etwa 2-3 Stunden, nachdem wir die Küste verlassen hatten, hielten wir deshalb scheinbar im Nirgendwo an (Die einzigen Anzeichen von Zivilisation stellten der eingeebnete Parkplatz und ein Toilettenhäuschen dar) und begannen eine knapp zweistündige Wanderung in einen schönen Gletscherlauf-Canyon.



Es regnete...

Am Wendepunkt bestaunten wir einen weiteren Wasserfall. Eigentlich ganz schön, nur alles ein bisschen feucht inzwischen ;-)



Als wir wieder unseren Bus erreichten, hatte der seinen ersten technischen Defekt. Die Batterie bzw. die Stromversorgung arbeitete nicht mehr. So gestalteten sich die letzten zwei Stunden der Fahrt etwas abenteuerlicher als erwartet (und gebucht ;-), da unser Bus nun ohne Lüftung und Scheibenwischer über anspruchsvollste Hochland-Serpentinen fahren musste. Das Ganze im Dauer-Nieselregen ohne Aussicht auf trockene Kleidung und warme Unterkunft stellte schon eine kleiner Belastungsprobe für unsere Gemüter dar. Immerhin konnten wir froh sein, einen Oldtimer zu fahren - bei moderner Motor-Elektronik hätte sich das Fahrzeug sicher keinen Zentimeter mehr vorwärts bewegt.



Das Ziel unsere Tagesetappe und Aufenthaltsort für die nächsten zwei Tage war Landmannalaugar - ein Campinplatz auf rohen Steinen vor einer beachtlichen Bergkulisse (590m üNN).



Aber: Ende gut, alles gut! Wir kamen sicher im Zeltlager an und nach einer heißen Suppe fühlten wir uns schon wieder fast wie Menschen (Ricarda: ich wurde aber erst in meinem schönen Schlafsack wieder warm...). Nur der arme Gülle musste nach einem langen Busfahrt-Tag ohne nennenswerte Pause (denn er konnte den Motor des Busses nicht abschalten wegen des Batterieproblems) wieder zurück fahren bis Reykjavik, wo der Schaden am nächsten Tag repariert werden sollte.


All dies waren - wie man sagt - typisch isländische Eindrücke: Dauerregen, improvisierte Behelfslösungen und der enorme Arbeitseinsatz der Isländer, die zwar im statistischen Durchschnitt zu den wohlhabendsten aber sicher auch den am meisten arbeitenden Menschen auf unserem Planeten gehören.



Dienstag, 5.7.:

Unser erster Tag ohne einen Standortwechsel bedeutete den unerhörten Luxus, eine Stunde später aufzustehen, also um 9 Uhr zu frühstücken und erst um halb elf das Lager zu verlassen.


Der Regen hatte bereits am vorigen Abend aufgehört und bei wieder etwas wärmeren Temperaturen (vermutlich aber noch im einstelligen Bereich ;-) stieg auch die Stimmung sofort wieder auf ein urlaubsgerechtes Gute-Laune-Niveau. Wenige Wolken, Sonne und klare Luft schufen hier - weitab jeder industriellen Ansiedlung - einen irgendwie prähistorischen oder unberührten Eindruck von Natur, an den ausgeliefert das Gemüt unwillkürlich befreit aufatmete. (Möglicherweise sind das aber auch “nur” die üblichen Symptome eines Camping-Flashs)


Natürlich blieben wir auch an diesem Tag nicht untätig, denn es galt, die herrliche, farbenprächtige Landschaft rund um Landmannalaugar zu erkunden - an diesem Tag jedoch ausschließlich per pedes.


Unser Wanderung führte uns zunächst an den Hotpots des Camps (dazu später noch mehr) vorbei und über grobe, frische Lavafelder, die an einigen Stellen verglast-glänzenden Obsidian ausbildet, sehr schön anzusehen!


Je nachdem, wie lange eine vulkanische Aktivität zurück liegt, werden die schon ab Beginn recht vielfältigen Oberflächen mehr oder weniger stark durch die Natur (Flechten und Moose, später höhere Pflanzen, sowie die hier allgegenwärtigen mächtigen Gletscher) und die Zeit bearbeitet und dabei immer wieder umgeformt, so entstehen kontinuierlich neue Strukturen in den absonderlichsten, fantastischsten Farben. Das kann man auf Island besonders gut beobachten, weil hier alle Phasen dieser Metamorphose in enger räumlicher Nähe stattfinden und beim Durchqueren unmittelbar verglichen werden können. Vor allem die Farben der Berghänge, des Bodens und des Himmels, leuchteten für uns so intensiv, dass wir spontan eher optische Täuschungen oder Falschfarben-Impressionen zu sehen meinten als an echtes Naturschauspiel!


Beim technisch unkomplizierten Aufstieg auf einen der benachbarten Berge (850 m üNN) kamen wir zu ersten mal unmittelbar an den auf Island sehr zahlreichen offenen Thermalfelder vorbei.



Heiße Schwefeldämpfe und kochendes Wasser erzeugen eine wahrhaft eindrucksvolle Kulisse, wie sie wohl auch Dante vorgeschwebt haben muss, als er den Eingang zur Hölle beschrieb. In ihrer Nähe ist der Schwefel-Gestank omnipräsent, obwohl ich persönlich den Eindruck hatte, dass mein Geruchssinn mit der Zeit etwas taub wurde oder abstumpfte, so dass er mir kaum noch übel zusetzte - aber die empfindsameren Nasen unter uns, wurden hier durchauf auf härtete Belastungsproben gestellt.

(Allerdings vermute auch ich, dass mich in den nächsten Jahren wohl jedes nicht mehr taufrische gekochte Ei an Island zurückdenken lassen wird ;-)

Außerdem erzeugen die zum Teil hoch-reaktiven Emissionen dieser natürlichen Dampfkochtöpfe in Verbindung mit den lokalen Bestandteilen der Erdoberfläche, in den kräftigsten Farben leuchtende chemische Verbindungen, die eine weite Palette von weiß (z.B. Kieselsäure) über gelb (Schwefel) und rot (Eisen) bis zu braunen (anderenorts aber auch grün, blau und oliv) dem faszinierten Auge präsentierten - auch dies hätte wohl kaum ein Bühnenbilder für Unterwelt-Szenarien besser ins Bilde setzen können.



Nach einer kurzen Pause auf dem ersten Gipfel bei einer phantastischen 360-Grad-Aussicht (nach dem Regen des vergangenen Tages profitierten wir von der klaren Luft und extrem großen Sichtweiten), stellte uns unser Reiseleiter zur Wahl, mit ihm zusammen und in einer gemütlicheren Gangart noch etwas weiter in die sanfte Hügellandschaft vorzustoßen, oder für die ambitionierteren Bergwanderer, dann aber auf eigene Faust den zweiten, noch etwas höheren uns im Anstieg auch steileren Hausberg von Landmannalaugar zu besteigen.

Weil wir das Bergwandern bereits aus den Alpen gewohnt sind und dabei durchaus auch erheblich anstrengendere Tagesetappen als hier auf Island absolviert hatten, und mir zudem bereits der Anblick des imposanten Gipfels gegenüber Lust auf mehr machte, war diese Option ein Steilpass für mich - und auch Ricarda ließ sich nicht lumpen, diese etwas anspruchsvollere Alternative mitzugehen. Zu meiner Überraschung traute sich allerdings kein weiteres Mitglied der Reisegruppe auf diesen Abstecher - vielleicht lag das aber weniger an mangelnder Fitness als vielmehr an der Unsicherheit, sich alleine ohne einen ortskundigen Führer in der immer noch ungewohnten und wenig beschilderten Wildnis zurecht zu finden.


Wir hingegen machten uns wenig Sorgen, zumal auch zahlreiche andere Wanderer in der Gegend um das Camp herum unterwegs waren, und vor allem kein Risiko bestand, dass wir wegen Dunkelheit den Weg zurück ins Lager nicht mehr finden könnten. Wir verabschiedeten uns also für’s erste von der Gruppe und stiegen zunächst in ein Flusstal hinab, wo es einen breiteren Bach zu furten galt. Da uns Timm auf diese Möglichkeit vorbereitet hatte, waren wir mit je einem Paar Trekkingsandalen aufgebrochen, denn solche Gewässer sind zu tief, um sie trockenen Fußes mit Wanderstiefeln durchqueren zu können. Nun hieß es deshalb, Stiefel und Strümpfe ausziehen und mit den Kunststoffsandalen durch das eiskalte Wasser zu waten, und dabei aufzupassen, dass man durch die Strömung nicht umgeworfen wird.

Im Nachhinein empfanden wir die Aktion weniger dramatisch, nachdem wir zunächst eine gute halbe Stunde nach einer geeigneten Stelle zur Überquerung gesucht hatten. Spontan zwar durchaus eiskalt, aber sobald die Füße am anderen Ufer wieder abgetrockenet waren und mit Strümpfen in den Stiefeln steckten, war das schnell vergessen - und wir konnten stolz sein, die Durchquerung ohne fremde Hilfe und Probleme gemeistert zu haben.

Um uns gleich darauf mit der nächsten kleinen Herausforderung konfrontiert zu sehen. Während wir von dem gegenüber liegendem Berg die geplante Aufstiegsroute recht gut hatten einsehen können, war davon hier unten, am Fuß des Berghangs, so gut wie nichts mehr von einem vorbereiteten Aufstiegspfad zu erkennen. Wir überquerten deshalb auf gut Glück ein kleineres Eisfeld und stiegen dann mehr nach Gefühl und auf mittlere Sicht den steilen Geröllhang hinauf, in halbwegs gerader Linie auf andere Wanderer zu, die wir entfernt erkennen konnten. Steil bedeutete hier, dass wir teilweise auf allen Vieren anstiegen - gut, dass wir hier nicht wieder runter mussten, das wäre ggf. eine schmerzhafte Rutschpartie geworden.

Bald fanden wir dann eine zumindest schon vor uns benutzte Spur, der wir weiter bergan folgten. Nach weiteren 30 Minuten waren wir bereits kurz unterhalb des Gipfels und gönnten uns eine Verpflegungspause. Wie gut doch einfache Stullen und klares Wasser schmecken können, wenn man sich an frischer Luft angestrengt hat und nicht ohne Stolz auf ein wirklich imposantes Berg-Panorama schauen kann.



Wenig später standen wir auf dem Gipfel (935m üNN), von wo aus wir einen sogar noch besseren Blick viele Kilometer weit in die grandiose Landschaft rund um Landmannalaugar werfen konnte - ein Abstecher, der sich hundertprozentig gelohnt hatte.



Der Abstieg über den Gipfel und auf den gegenüberliegenden Seite zurück zum Campingplatz verlief ohne Schwierigkeiten, bot uns aber noch so manchen tollen Ausblick auf die im wahrsten Sinne des Wortes malerische Umgebung.





Wir erreichten das Camp schließlich sogar ein paar Minuten vor dem Großteil unserer Reisegruppe, die auf ihrem Rückweg in kleinere Sektionen zerfallen war. Immer noch randvoll mit den visuellen Eindrücken, bei “köstlichem” heißem Kaffee, Tee und Keksen, schwärmten wir gegenseitig von unseren Erlebnissen und verabredeten uns für später zu einem Stelldichein im Lager-eigenen Hotpot!


Es gibt unter den vielen natürlichen heißen Quellen in Island auch solche, deren Temperatur irgendwo im Bereich zwischen 20 und 40 Grad liegt. Wenn solche Hotpots ausreichend viel ausreichend klares Wasser enthalten und gut erreichbar in der Nähe von Siedlungen befinden, dann werden sie von Isländern ebenso wie von Touristen gerne und ausführlich zum Baden aufgesucht. In unmittelbarer Nähe unseres Camps in Landmannalaugaur gibt es solch einen Hotpot.

Natürlich” ist das Wasser nicht überall gleich temperiert - dafür reicht die schwache Strömung des sich aus der Quelle speisenden Bächleins nicht aus. Man benutzt einen Hotpot deshalb so: Mit spitzem Zeh die Wassertemperatur an der Einstiegsstelle prüfen (eher recht kühl), langsam und vorsichtig einsteigen (kein befestigter Untergrund) und dahin waten, wo bereits ein paar andere Badende sich in Haufen niedergelassen haben. Dort so lange hin und her ruckeln, bis man eine angenehm warme (aber auch nicht zu heiße) Stelle gefunden oder sich an die dort herrschende Hitze gewöhnt hat. Das Ganze hat keinen geringen Unterhaltungswert und wegen der Zusammenrottung auch immer ein hohes geselliges Potenzial. Wir blieben eine gefühlte Stunde im Hotpot, aber einige Mitreisendene hielten es auch bedeutend länger aus.

Tipp: Möglichst wenig Kleidung mitnehmen, denn diese liegt i.d.R. ungeschützt am Ufer und kann deshalb schnell nass werden, z.B. bei einem der in Island eigentlich immer kurzfristig möglichen Regenschauer. Im Hotpot selbst macht einem der Regen nichts aus, aber irgendwann will man ja auch wieder raus und etwas trockenes anziehen ;-)



Mittwoch, 6.7.:

Nachdem am vorigen Abend auch Gülle mit unserem reparierten Bus zurück gekommen war, stand der geplanten Weiterreise nichts mehr im Weg. Folglich war wieder früh aufstehen und Zelt ausräumen angesagt. So langsam stellte sich dabei eine gewisse Routine ein, sowohl was die nötigen Handgriffe und ihre effizienteste Abfolge anbelangte, als auch den dafür ohne Stress erforderlichen Zeitraum. Gegen Ende der Reise war es dann beinahe eine entspannte Übung geworden, bei der auch noch Platz für ein Schwätzchen mit unseren Mitreisenden übrig blieb. Auch an diesen Camping-Aspekt kann man sich also gewöhnen, aber auf der anderen Seite lernt man den Luxus einer gewöhnlichen Halbpension-Urlaubsreise in den eigenen, konstanten, trockenen 4 Wänden wieder ganz neu zu würdigen ;-)


An diesem Tag verließen wir Landmannalaugar zunächst in westlicher und dann in nördliche Richtung und legten unseren ersten Zwischenstop bei weltberühmten Geysir ein. Diese heiße Springquelle ist nur eine von vielen in Island und anderswo auf der Welt, aber sie hat ihren Namen quasi zum Markenzeichen gemacht. Dabei ist der namensgebende “Original”-Geysir seit ein paar Jahren praktisch inaktiv (man sagt, er leide unter Verstopfung), so dass man “nur” die ziemlich regelmäßigen Fontänen der benachbarte Springquelle “Strokkur” bestaunen kann.


Um die Springquellen herum erstreckt sich ein ansehnliches Geothermalfeld. Überall blubbert und brodelt es. Die geschäftstüchtigen Isländer haben Touristen-Attraktionen wie diese (Geysir gehört zum Golden Circle und damit praktisch zum Standardprogramm jedes Islandbesuchers) adäquat vermarktet inkl. Tankstelle, Restaurant und großem Souvenirshop. Für uns bedeutete das Annehmlichkeiten wie saubere Toiletten und heißen Kaffee.


Nur ein paar Busminuten weiter liegt ein weiteres Highlight des Golden Circle: Der mächtige Wasserfall Gulfoss! Obwohl wir uns peu a peu an den Anblick von Wasserfällen gewöhnten, war der “goldene Wasserfall” doch vor allem wegen seiner enormen Größe imposant.



Außerdem herrschte gutes Wetter, so dass der Spaziergang um dieses (touristisch ebenfalls voll erschlossenes) Naturschauspiel sehr schön war - bis auf die vielen anderen Touristen. Wie zuvor schon am Geysir wälzten sich für isländische Verhältnisse Unmengen an asiatischen, skandinavischen, zentraleuropäischen und amerikanischen Besucher durch die Sehenswürdigkeit - ein krasser Gegensatz zu den oft menschenleeren Gegenden im Hochland oder im Nordosten der Insel. Island assoziieren wir in der Regel mit Natur und einer wohltuend einsamen Weite fernab hoch-technisierter Zivilisation. Das traf sicher auch für den größten Teil unserer Reise zu - und wurde befreit aufatmend genossen. Wer nach Island reist, sollte sich darauf einrichten und einlassen und es auch mögen. Aber ehrlich gesagt: Nach 14 Tagen “Natur pur” freute sich mein zivilisierter innerer Schweinehund dann doch auch wieder auf den Komfort von festen Wänden, eigener Toilette in der Nähe des eigenen Bettes und warme Duschen...



Von Gullfoss aus ging es nun in fast nördlicher Richtung mitten durch das Hochland Islands. Wir unterbrachen die Fahrt dann wieder in Hveravellir, einem sehr bunten Geothermalfeld mitten im Nirgendwo.




Bei einem sensationellen - gewitter-schwangeren Himmel spazierten wir zwischen den schwefligen, dampfenden, zischenden und sprotzenden Quellen und Tümpeln und Hotpots hindurch, und besuchten auch die Höhle des legendären Eyvendur, eines verstoßenen, vogelfreien Isländers, dem das Kunststück gelang, viele Jahre in dieser extrem kargen Ödnis zu überleben.



Danach ging es aber noch viele Kilometer weiter über sandige Pisten bis zur Nordküste, und über Varmahlíð nach Akureyri, wo wir unser nächstes Lager aufschlugen.

Donnerstag, 7.7.:

In Akureyri hatten wir nur einen kurzen Zwischenstopp gemacht. Für diesen Tag stand wieder ein umfangreiches Programm für uns an. Nach dem Frühstück bündelten wir - inzwischen schon recht routiniert - unser Reisegepäck und verstauten wieder alles im Bus. Bevor wir die pittoreske Stadt am Fjord mit dem beinahe verständlichen und aussprechlichen Namen Eyjafjörður verließen, hatten wir aber noch Gelegenheit zum einem kleinen Stadtbummel. Diesen nutzen wir nicht nur, um bei einem hilfsbereiten Schuhmacher unseren kleinen Wanderrucksack nähen zu lassen (ist einfach besser, wenn die Träger am Rucksack befestigt sind), sondern auch, um eine weitere postmoderne Kirche mit einer recht maritimen Innendekoration zu besichtigen, uns mit ein paar Trollen ablichten zu lassen, und uns später einen Kaffee in einer gemütlichen Buchhandlung zu genehmigen.



Am späteren Vormittag ging es weiter - zunächst noch Stück an der Nordküste Islands entlang. Der Norden Island ist spürbar kälter als der Süden. Das liegt u.a. daran, dass die Südküste noch die Ausläufer des Golfstroms erreichen, während an der Nordseite der Polarstrom entlang streicht. Dafür ist der Norden allerdings auch wesentlich regenärmer. Es gibt hier Regionen mit weniger Niederschlag als in ganz Deutschland. Aus diesem Grund gibt es auch keine Gletscher auf der Nordhälfte der Insel.



Auf dem Weg besichtigten wir - müdes Lächeln - einen weiteren Wasserfall, den Goðafoss. Eigentlich ein recht spektakulärer Wasserfall, an dessen Falllinie sich ein trittsicherer und risikobereiter Wanderer sogar bis auf wenige Zentimeter heranwagen kann. Ein durch die Gicht feuchtes aber imposantes Naturschauspiel - und doch nur ein weiterer Wasserfall aus dem schier unerschöpflichen Reservoir Islands.




Von hier aus fuhren wir zum Whale Watching in das Fischerdorf Húsavík.



Diesen optionalen Programmpunkt wollte sich Ricarda keinesfalls entgehen lassen. Ich verzichtete lieber, da ich meine schwache Hochseetauglichkeit kenne und wenig Lust verspürte, mir das Frühstück noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Das ist tatsächlich auch ein Vorteil einer Gruppenreise - man kann sich auch mal aufteilen, ohne dass man direkt alleine ist.



Ein Teil unserer Reisegruppe unternahm also eine längere Bootsfahrt, wobei wir tatsächlich einige Buckelwale zu sehen bekamen. Besonders ein Paar machte sich einen Spaß daraus, mal näher, mal weiter weg vom Boot aufzutauchen. Wir waren auch vom Wetter begünstigt, es war zwar nicht sonnig aber windstill und trocken, und wir bekamen gefütterte “Ganzkörperkondome”, die nicht besonders sexy waren, aber alle warm hielten. Auf dem Mast “hing” ein guide (vermutlich ein Deutscher), der uns in englischer Sprache grundsätzlich über Wale berichtete und immer wieder darauf hinwies, wo man gerade hingucken sollte. In dem nicht ganz billigen Vergnügen waren aber außer 3 Stunden Fahrt immerhin noch Gebäck und ein warmer Kakao enthalten, und einige Seevögel, u.a. Papageientaucher, die im Fliegen sehr witzig aussehen...



Danach war noch etwas Zeit, die wir zum Teil im Walmuseum und zum Teil mit einkaufen verbrachten. In die nächste Berühmtheit von Húsavík, das Penismuseum, hat sich keiner getraut...



Die anderen fuhren in der Zeit weiter an der Nordküste entlang und bekamen an der Steilküste …



(auch) zum ersten Mal einige Exemplare des zu berühmten Papageientauchers zu sehen, ein ziemlicher komischer Seevogel, der erheblich besser im Wasser unterwegs ist als in der Luft oder auf dem Land.




Anschließend unternahmen wir eine sehr schöne Wanderung bei Ásbyrgi im riesengroßen Hufeisenabdruck von Odins achtbeinigem (!) Schlachtross Sleipnir.



Das Ziel unserer Reise an diesem Tag war der so genannte “Mückensee” Mývatn - hier trafen die Gruppen wieder zusammen und bezogen einen wirklich wunderschön gelegenen Zeltplatz neben einem noch jungen Lavafeld unmittelbar oberhalb des Sees.




Freitag, 8.7.:

Dies war unser zweiter Tag ohne Standortwechsel. Wir brauchten also nicht unsere Zelte leer zu räumen und durften dementsprechend ein paar Minuten länger schlafen.

Nach dem entspannten Frühstück umrundeten wir zuerst den Mývatn mit unserem Bus, und hielten dann am Fuß des an seinem östlichen Rand liegenden Doppelkraters, den man auch gut auf der Satellitensicht in Google Maps erkennen kann (siehe Link). Wir stiegen auf der recht steilen Flanke des äußeren Rings (bestehend aus relativ kleinkörniger schwarzer Lava hinauf und liefen dann im Uhrzeigersinn um den Kraterrand herum. Hier oben blies ein sehr heftiger Wind und wir hüllten uns in sämtliche Jacken und Kapuzen, die wir mitgebracht hatten.



Inerhalb dieses Pseudokraters erhebt sich - weit weniger imposant - ein zweiter Hügel. Das war - so erklärte uns wie immer fachkundig unser Reiseleiter Timm - der eigentliche Krater des Vulkanausbruchs. Der äußere Wall wurde annähernd kreisförmig darum aufgeschüttet, als eine große Menge an feinem Gestein nahezu senkrecht in die Höhe katapultiert wurde und dann in dieser Formation nieder prasselte.



Nachdem wir den äußeren Wall fast ganz umrundet hatten und (noch etwas steiler) wieder abgestiegen waren, wanderten wir durch das Labyrinth von Dimmuborgir, einem bizarren “Felsengarten” aus ganz anders strukturierten Lavabrocken. In Island gibt es praktisch jede Form von Vulkanismus und Auswurf-Materialien in flüssiger (evasiver) und fester (explosiver) Form. An dieser deutlich tiefer liegenden und mit allerlei Buschwerk bewachsenen Landschaft war es fast windstill, so dass die Wanderung sich in einen gemütlichen Spaziergang verwandelte. Bei den teilweise beachtlich großen Brocken aus Vulkangestein handelt es sich - der Sage nach - ebenfalls um versteinerte Trolle oder sonstige Gestalten aus der isländischen Mythologie. Wir durchstiegen ein imposantes Felsentor...



...und stiegen, am anderen Ende angelangt, wieder in unseren Bus, der uns wieder zum Zeltplatz zurück brachte, wo wir unsere Mittagspause verbrachten.


Danach brachen wir zu einer weiteren Wanderung in ein wenige Kilometer entferntes Gebiet eines sehr jungen Vulkanausbruchs auf (genannt Krafla), der sich vor gerade einmal 35 Jahren ereignet hatte. Wiederum sahen und durchquerten wir eine völlig andere Landschaft mit beeindruckenden Farben und Formationen.

An manchen Stellen war die Erde noch nicht vollständig abgekühlt - man brauchte nur seine Hand in eine Spalte zu stecken, um die Restwärme deutlich zu spüren. Vorsicht, es besteht die Gefahr, sich durch heiße Dämpfe zu verbrühen!


Auf der Rückfahrt nach Mývatn hatten wir noch genug Zeit, um vor dem Abendessen ein Geothermal-Freibad aufzusuchen und dort ausgiebig im warmen, türkisblauen, milchig-seifigem (und natürlich leicht schwefligem) Wasser zu planschen bzw. abzuhängen. Zwar wohnen in dieser Gegend nicht besonders viele Isländer, aber das Baden ist quasi ein Nationalsport, und Schwimmbäder gibt es praktisch in jedem Dorf. Tipp: Weil die isländischen Schwimmbäder nicht gechlort werden, ist es eine unverzeihliche Sünde, sich vor dem Bad nicht gründlichst (ohne Badesachen!) zu duschen.


Später aßen wir im Camp sehr lecker zu Abend (wir hatten fast jeden zweiten Tag frischen, ausnahmslos sehr leckeren Fisch) und spazierten anschließend in die (einzige) Kneipe des Dorfes, deren Namen wir zu “Gammelbar” eindeutschten (eigentlich war es ein Hinweis auf eine lokale, gar nicht mal unleckere Biersorte, die übersetzt so viel wie “Alt” heisst), wo eine kubanische Band tolle Livemusik zum Besten gab. Die Kneipe war voll, wir konnten ausnahmsweise mal die meisten Bekleidungsschichten abwerfen und dazu richtig alkoholhaltiges Bier konsumieren - was braucht man mehr um glücklich zu sein!

Erstaunlich war die Konstellation auf jeden Fall - hier auf einer abgelegenen Insel in einem 200-Seelen-Dorf spielte eine kubanische Band besser als alle Bands, die wir auf Kuba getroffen hatten, und sie spielte auch nicht nur für ausländische Touristen. Es waren Touristen aus mehreren europäischen Ländern anwesend, aber auch eine isländische Männergruppe, die später erzählten, dass sie eine Motorradtour machten und durch eigenwillige Tanzstile und interne Knutschszenen auffielen (“we are not gay!”). Mal wieder ein Indiz dafür, wie verrückt die Welt ist...

Samstag, 9.7.:

Nun waren wir schon eine ganze Woche in Island und hatten uns recht gut eingewöhnt. Auch an diesem Tag blieb unser Standtort in Mývatn, so dass wir es wiederum ruhig angehen lassen konnten - aber auch mussten, denn einige von uns hatten eine harte Nacht hinter sich. Ein Gruppenmitglied war noch nach dem Kneipenbesuch im Lavafeld gestürzt. Im Ort gab es keinen Arzt, Timm war nicht erreichbar (Akku leer), so mussten sie Gülle aus dem Bett holen, der dann die Verletzte mit einer Begleitperson nachts nach Húsavík ins Krankenhaus fuhr, wo sie dann nach etwas Wartezeit tatsächlich erfolgreich genäht und wieder zurückgefahren werden konnte - dann war es aber auch schon 7 Uhr morgens.


Nach dem Frühstück fuhr Gülle uns zu einem weiteren Wasserfall, dem Dettifoss. Von seinen Ausmaßen wahrlich großartig und bzgl. der von ihm produzierten Gischt: Wet, wet wet.



Ich würde sicherlich noch exzessiver schwärmen, wenn es der erste oder zweite oder dritte Wasserfall auf unserer Tour gewesen wäre. Vermutlich gibt es in Island mehr Wasserfälle als Schafe, aber die schiere Masse birgt nun mal das Risiko der Inflation.



Anschließend besuchten wir den Hljóðaklettar, eine Landschaft mit eindrucksvoll symmetrischen Segmentformationen entlang eines tief eingeschnittenen Flusstals.

Die Vielfalt der Erscheinungformen von vulkanischen Aktivitäten bzw. derern Endprodukten erstaunte uns immer wieder. Wir wanderten zunächst ein Stück und ließen uns dann an einer schönen Stelle zum Rucksack-Mittagessen nieder.


Danach ging es noch gut 2 Stunden auf und ab durch dies teilweise bizarre, bunte und blühende Landschaft, bis wir schließlich wieder zum Bus zurück kamen.

Auf dem Rückweg bestand abermals die Gelegenheit zum Schwimmbadbesuch - wir zogen es aber vor, noch ein bisschen durch das Städtchen am Mývatn zu bummeln und ein paar Einkäufe zu erledigen, bevor wir ins Camp zurück spazierten und uns vor dem Abenddessen sogar mal für ein paar Minuten richtig in eine warme Sonne setzen konnten.



Später zog es uns dann noch einmal in die Gamlibar, wo wir wiederum Bier und Livemusik genießen konnten. Man sollte vielleicht wissen, dass das Musizieren ebenfalls ein Nationalhobby der Isländer ist, so dass es eigentlich kaum überraschte, dass hier - quasi am Ende der Welt und “for free” - eine qualitativ wirklich hochwertige Band zu hören war. Und die Musik begeisterte uns auch noch beim zweiten Mal.


Erst nach Mitternacht und Ende des Konzerts machten wir uns, praktischer Weise nicht im Dunkeln, wieder auf den Heimweg zum nahe gelegenen Zeltplatz, den wir - auch dies für Island durchaus normal - erreichten, indem wir eine Zäune überkletterten, Weiden mit Killer-Schafen (das meinte jedenfalls Christian, der Koch dieses Camps) durchquerten und vorsichtig von Lavasegment zu Lavasegment springen mussten, um Unfälle wie den gestrigen zu vermeiden...



Sonntag, 10.7.:

Der Vormittag stand uns zur freien Verfügung, es gab ausnahmsweise mal kein festes Programm - dafür aber einige optionale Aktivitäten wie Einkaufsbummel, Reiten, Abhängen im Zeltlager oder einen Spaziergang am Ufer des Mückensees.



Ich (Johannes) hatte mich ziemlich spontan für’s Reiten entschieden. Obwohl ich gar nicht reiten kann - meine bis dahin einzigen Erfahrungen stammen von zwei Tagesausritten in Kuba. Das hatte mir damals aber sehr gut gefallen und war auch recht einfach gewesen. Und da Ricarda bereits am Whalewatching teilgenommen hatte, wollte ich auch etwas Besonderes machen, wobei man aber nicht seekrank werden kann.



Islandpferde sind einzigartig. Angeblich die reinste Pferderasse der Welt, haben diese Tiere sogar eine spezielle Gangart, genannt Tölt, den sonst kein anderes Reittier beherrscht. Diese Gangart soll besonders Tier- und Reiter-schonend sein. Na, ich weiß nicht, ob ich das bestätigen kann. Immer, wenn sich die Gruppe etwas schneller fortbewegte, hatte ich das Gefühl, in einem Holzkarren über grobes Kopfsteinpflaster zu fahren. Das mag aber auch daran gelegen haben, dass ich eben keine Ahnung vom Reiten habe, und wir vielleicht “nur” getrabt sind und nicht getöltet.



Der Ausritt fand jedenfalls bei herrlichem Islandsommer-Wetter statt und hat allen Teilnehmern sehr gut gefallen!


Einige andere Teilnehmer unserer Gruppe hatten sich für einen Rundflug in einem kleinen Charterflugzeug angemeldet, der zeitgleich statt fand. Auch sie berichteten nachher begeistert vom schönen Wetter und der tollen Aussicht.



Mittags trafen wir uns dann alle wieder auf dem Campingplatz, setzten uns im Sonnenschein auf die Wiese und verspeisten unsere Butterbrote - das war sicher die entspannteste Stunde unserer Reise. Er herrschten beinahe mitteleuropäische Sommer-Temperaturen, so dass wir sogar in Kurzen Hemden und Hosen herum laufen konnten. Und das knapp unterhalb des Polarkreises ;-)



Schließlich aber mussten wir auch hier am schönen Mývatn unsere “Zelte abbrechen” und fuhren mit Gülles altem Bus über eine ziemliche Rumpelpiste zu unserem nächsten Ziel: in die Askja!

Bevor wir den Mývatn verließen, machten wir noch einen kurzen Stop an einem Geothermal-Kraftwerk mit einem See von unnatürlich türkiser Farbe.

Nur wenige Kilometer weiter spazierten wir durch ein unbewirtschaftetes Geothermalfeld, das stank wie die Hölle, dafür aber fantastische Farben und brodelnde Tümpel zu bieten hatte.


Danach kraxelten wir einen sehr steilen und rutschigen Schotterhang empor, um von einem 200 Meter hohen Wall einen tollen Ausblick auf die weitere Umgebung und die Kontinentalspalte zwischen der amerikanischen und der eurasischen Platte zu genießen, bevor wir wieder in den Bus stiegen, und Mývatn nun endgültig den Rücken kehrten.

Die Askja ist eine selbst für isländische Verhältnisse ausgesetzte Stein- bzw. Lavawüste noch etwas weiter im Landesinneren, unmittelbar nördlich des Vatnajökull, des größten Gletschers in Europa.


Auf der Fahrt in die Askja passierten wir aber zunächst einen sehr imposanten Berg, die Herðubreið.



Ein noch weiter von jeder Zivilisation abgelegenes Camp als dieses gibt es wohl in ganz Island nicht (und wohl auch sonst auf der Welt). In der Wüste der Askja haben - wenn man unserem Reiseführer glauben darf - sogar die amerikanischen Astronauten der Apollomissionen für ihren Außeneinsatz auf dem Mond trainiert!



Das Lager liegt auf knapp 800 Meter Höhe, und es war dort noch einmal ein paar Grad kälter als sonst in Island, d.h. die Temperatur fiel hier nachts unter den Gefrierpunkt. Nach dem einfachen aber leckeren warmen Abendessen unternahmen die meisten von uns dann noch einen langen Spaziergang auf den Hausberg des Lagers, von wo aus wir - dick eingepackt in Jacken und Pullover - wunderschöne Panoramen im Sonnenuntergang bewundern konnten.




Montag, 11.7.:

So kalt es in der Nacht geworden war, am nächsten Morgen schien die Sonne direkt in unser Camp, und es wurde angenehm warm, so dass wir die Bänke aus dem Küchenzelt holen und draußen frühstücken konnten.

Danach fuhren wir mit dem Bus noch einige Kilometer weiter durch die unwirtliche Wüstenlandschaft, bis zum Kverkfjöll direkt am Fuß des riesigen Gletschers Vatnajökull.


Hier gibt es noch ein weiteres Camp, für das sogar importierter Rollrasen als weicher Untergrund für die Zelte ausgelegt wird - der Isländer pflegt manch skurrilen Spleen. Wir bestiegen den kleinen Berg, wo wir unsere Mittagspause einlegen und auf dem majestätischen Gletscher schauen konnten.

Nachdem wir auf der anderen Seite angestiegen waren und den Berg zur Hälfte umrundet hatten, blieb uns noch etwas Zeit für einen kleinen Abstecher zu einem Gletscherausfluss.



Timm schlug vor, auf den Gletscher hinauf zu steigen, aber das erschien wohl den meisten Mitgliedern unserer Reisegruppe als zu riskant. Ricarda und ich ließen uns aber auf das Wagnis ein und machten ein paar Schritte auf dem Gletschereis. Als wir jedoch auf immer größere Gletscherspalten trafen, hielt Timm es für besser, umzukehren.



Wir wanderten zum Bus zurück und rumpelten wieder zu unserem Lager in der Askja. Dabei konnten wir einem kleineren Sandsturm aus dem sicheren Bus zuschauen. Die Askja ist berüchtigt für ihre Sandstürme, die so heftig werden können, dass man seinen Camping-Aufenthalt abbrechen muss, weil dabei kleine Bimssteine waagerecht durch die Luft geschleudert werden, die ein Auto mal eben komplett “sandstrahlen” können oder auch eine Zeltwand durchschlagen.

Wir blieben aber glücklicher Weise davon verschont und konnten später den Abend sehr relaxt in unserem Zeltlager ausklingen lassen.



Dienstag, 12.7.:

Wieder ein Tag ohne Umzug und ohne Busausflug - das bedeutete: lange Schlafen! Aufstehen um 7:15 Uhr, Frühstück um 8, bei dem wir diesmal sogar mit etwas Kuchen verwöhnt wurden, weil ein mitreisendes Paar seinen 42. Hochzeitstag feierte. Und wir konnten auch wieder “draußen” essen, weil die Sonne in unser Camp schien und die Luft auf angenehme Temperaturen steigen ließ.



Nach dem Frühstück unternahmen wir zunächst einen kurzen Ausflug in die unmittelbar neben unserem Lager sich öffnende Schlucht eines kleinen Baches.


Das war aber nur das Warmlaufen für unseren großen Tagesmarsch auf den Berg am Rand des Camps, welcher uns noch einmal 650 Meter höher

und bis an den Rand der riesigen Caldera führen sollte, sie sich hier erstreckt und einen großen, fast ganzjährig zugefrorenen See, den so genannten Öskjuvatn, enthält.

sowie den berühmten Viti, den sagenhaften Einstieg zur Hölle.



Man kann einen guten Eindruck von der Größe gewinnen, wenn man auf die kleinen Punkte rechter Hand des Viti achtet: das sind andere Besuchergruppen.

Im Gegensatz zum benachbarten riesigen Eissee ist der Viti-See warm - bis vor Kurzem hatte das Wasser dort noch eine Temperatur von gut 30 Grad. Jetzt sind es aber nur noch etwas über 20, was nicht mehr wirklich zum gemütlichen Abhängen reicht.

Während die meisten vom Aussichtspunkt aus wieder umdrehten, wagten sich Timm und Johannes noch etwas weiter an den Viti heran. Der komplette Abstieg wäre aber zu riskant oder zumindest spaßfrei geworden, da die späte Schneeschmelze große Mengen Matsch hinterlassen hatte.

Auf- und Abstieg dauerten bis in den Nachmittag hinein. Wieder ins Camp zurück gekehrt, machten wir uns einen weiteren gemütlichen Abend mit viel Plaudereien, Kartenspielen Phase 10 und DUO) sowie einem umfangreichen Tee+Rum-Tasting.

Als ich (Johannes) in der Abendsonne meine durch das viele Laufen im Schnee nass gewordenen Wanderschuhe zum Trocknen vor das Zelt stellte und dabei etwas näher inspizierte, musste ich feststellen, dass größere Teil der Sohle in Auflösung begriffen waren. Offenbar waren vor allem das scharfkantige Lavagestein zu viel für die allerdings auch schon etwas betagten Schuhe. Bis zum Ende unserer Islandreise hielten sie zwar noch zusammen, aber danach hatten sie ihren Dienst getan.



Mittwoch, 13.7.:

Die Temperaturdifferenzen in Island haben uns immer wieder beeindruckt. Obwohl die Askja auf der einen Seite der ab- und höchstgelegene Campingplatz auf unserer Tour und vermutlich auch in ganz Island ist, und die Temperatur deshalb auch im “Sommer” nachts nicht selten unter den Gefrierpunkt fällt, konnten wir auch an diesem Morgen in der wärmenden Sonne wieder draußen unser Frühstück einnehmen - was wir natürlich ausführlich genossen.


Anschließend hieß es, diesem gleichzeitig so faszinierenden und unwirtlichen Ort Lebewohl zu sagen, mal wieder die Zelte aus- und unsere Packtaschen vollzuräumen, und in Gülles betagten Bus zu steigen. Wir ruckelten über die Schotterpisten zurück nach Norden, wo wir nach gut 2 Stunden wieder auf die Ringstraße stießen, welcher wir weiter im Uhrzeigersinn folgten. Kurze Zeit später stießen wir auf einen ziemlich skurrilen “Truck Stop”.




Dabei handelte es sich um einen geschäftstüchtigen Isländer, der seinen Bauernhof zu einer Tankstelle mit angeschlossenem Naturprodukt- und Handwerksladen sowie Gras-Soden-Café erweitert hat, und ganz offensichtlich einigen Zulauf zu verzeichnen hatte. Vielleicht liegt das aber auch an seinem lokalen Monopol, denn weit und breit gab es hier sonst nur, zugegeben recht malerische, Natur.



Wir machten dort eine entspannte Mittags- bzw. Kaffee- & Kuchenpause, setzen uns bei strahlendem Wetter in das weiche Gras (was für ein Kontrast zur stein-reichen Askja!) und ließen uns die Sonne auf den Pelz scheinen.


Nachmittags trafen wir in Egilsstaðir unweit der Nordostküste ein, der ersten Einkaufsmöglichkeit seit 4 Tagen, wo auch unser nächstes Etappenziel lag. Weil wir aber noch etwas Zeit übrig hatten, bot Timm uns an, das Sightseeing Programm spontan zu erweitern um eine Küstenstadt ca. 50 km weiter nördlich, die er selbst auch noch nicht besucht hatte, von der man ihm aber erzählt hatte, dass es dort eine schöne Aussicht und mit etwas Glück auch noch ein paar Papageientaucher zu sehen gäbe.


Spontan entschlossen wir uns zu dem Trip und wir wurden nicht enttäuscht. Wir trafen auf ein pittoreskes kleines Fischerdörfchen mit einem winzigen Hafen und einem Vogelfelsen, auf dem es von Seevögeln aller Art nur so wimmelte.





Dumm nur, dass Gülles Bus sich ausgerechnet diesen Zeitpunkt ausgesucht hatte, seinen nächsten Defekt zum Besten zu geben - in Form seiner klemmenden Hupe! Isländische Bus-Hupen haben, wie man wissen muss, eher den akustischen Charakter eines Nebelhorns, denn sie dienen hauptsächlich dazu, bei Überlandfahrten die zahlreichen Schafe von den Straßen zu verscheuchen (In Island gibt es noch open range). Wenn man allerdings Vögel observieren möchte, ist so eine imposante Tröte eher kontraproduktiv - einmal ganz abgesehen von der Aufmerksamkeit, die ein Touristenbus auf sich zieht, wenn er dauer-hupend in ein ländlich-friedliches Dorf einfällt. Man kann sich denken, dass uns das wenig sympathische Blicke eintrug: Hier kommen die deutschen Hooligans, witzelten wir. Wer den Schaden hat...


Wir ließen den Bus schließlich einen Kilometer außerhalb des Küstenorts stehen und unternahmen eine kurze aber sehr schöne Wanderung zu einer benachbarten einsamen Bucht - mit toller Aussicht auf die wieder ganz anders sich gebende Landschaft an der isländischen Nordostküste.



Nach der Wanderung begrüßte uns der leicht zerknirscht wirkende Gülle mit der Nachricht, dass er die klemmende Hupe mit seinem Bordwerkzeug leider nicht repariert bekommen hatte und den Bus deshalb, nachdem er uns zum Campingplatz gebracht habe, in eine Werkstatt fahren müsse.


Es folgte ein ca. einstündiger Karnevalszug zurück nach Egilsstaðir. Wir hupten und hupten und hupten. Alles, was kreuchen und fleuchen konnte, machte uns ängstlich, amüsiert, kopfschüttelnd und staunend Platz. Schließlich hatten wir sogar die örtliche Polizei im Schlepptau, aber wir kamen jedenfalls sicher zu unserem Zeltplatz für diese Übernachtung.



Der erwies sich nach dem kargen Minimalismus der Askja als wahren Paradies mit weichem Grasboden, warmen Duschen und einer isländisch-typischen guten Logistik. Wir genossen ein einfaches aber leckeres Abendessen und einige von uns saßen noch lange im Sonnenunter/aufgang vor den Zelten, während ich mich müde in meinen nun den örtlichen Temperaturen wieder halbwegs angemessenen Schlafsack verkroch.




Donnerstag, 14.7.:

Am nächsten Tag stand eine sehr lange Bus-Etappe auf dem kurzfristig geänderten Reise-Programm. Wegen der in diesem Jahr extrem späten Schneeschmelze war es nicht möglich gewesen, durch das Hochland zurück nach Reykjavik zu fahren, sondern wir mussten die Alternative entlang der Südküste auf der Ringstraße versuchen. Und auch das klappte nicht wie vorgesehen, doch davon später mehr.


Von Egilsstaðir im Nordosten fuhren wir an diesem Tag über Höfn im Südosten bis nach Skaftafell im Süden, unmittelbar am Fuße des bereits erwähnten riesigen Gletschers Vatnajökull gelegen.


Dies war erst unser zweiter “richtiger” Regentag, d.h. es regenete eigentlich kontinuierlich den ganzen Tag über. Insofern hatten wir Glück, dass wir die meiste Zeit davon im Bus verbringen “durften”. Aus Angst vor der Feuchtigkeit haben wir an diesem Tag leider auch nur sehr wenige Fotos gemacht, und auf diesen ist auch nicht allzu viel zu sehen ;-(


In Höfn, einer für isländische Verhältnisse außerhalb des Großraums von Reykjavik recht großen Stadt legten wir unsere Mittagspause ein. Einige besuchten ein Gletschermuseum, die meisten Anderen bummelten im Nieselregen durch die City oder genehmigten sich in einem gemütlichen Restaurant eine warme Mahlzeit.



Einige Kilometer hinter Höfn reicht der Vatnajökull fast bis an die Küste und die Ringstraße, so dass wir nach einem kurzen Abstecher (auf einer Schotterpiste) ins Landesinnere die Gelegenheit hatten, eine ca. einstündige Wanderung bis an den Fuß des Gletschers zu unternehmen. Im immer wieder einsetztenden, kalten Nieselregen war das zwar kein reines Vergnügen, aber wir waren mittlerweile ausreichend Island-gestählt, um uns davon nicht die Motivation aufweichen zu lassen. Die meisten von uns kehrten zwar nach zwei Drittel der Strecke um, aber eine kleine unverdrossene Gruppe um Timm und uns wagte sich bis ganz an den gigantischen Eisberg heran.


Einen weiteren Zwischenstopp legten wir in Jökulsárlón ein, wo es einen malerischen Gletschersee mit kleinen schwimmenden Eisbergen zu sehen gibt. Leider regnete es auch hier, so dass wir keine große Lust auf einen ausgedehnten Spaziergang oder eine Fahrt mit Amphibienfahrzeugen durch die Eisberge hatten.



Eigentlich schade, denn hier zeigte sich Island noch einmal von einer ganz anderen Seite und einer nicht minder reizvollen Charakteristik. Wir entdeckten in dem Eissee sogar ein paar Kälte-unempfindliche Schwimmvögel und eine Robbe.



Als wir schließlich abends in Skaftafell ankamen, ließ der Regen nach und hörte schließlich ganz auf - genau richtig, um die Stimmung wieder anzuheben und uns einen entspannten Ausklang im riesigen Campingplatz zu bescheren, bei der uns Timm noch eine tolle (und leckere) Isländisch-Lektion erteilte. Mithilfe eines teilweise geschälten Apfels, zweier süßer runder Kuchen, Schokostreusel und jeder Menge Vanillesauce dozierte Timm über polare Einflussfaktoren auf Island und die Gletscherbildung.





Freitag, 15.7.:

Der vorletzte Tag der Reise sollte uns zurück nach Reykjavik führen.

Weil aber - vermutlich aufgrund einer geothermalen Aktivität - eine erhebliche Menge Gletschereis geschmolzen war und die Ringstraße im Süden auf einer Länge von einigen Kilometern einfach weggespült hatte (das passiert in Island wohl häufiger, weshalb man sogar schwimmende Brücken-Komponenten konstruierte, die anschließend leicht wieder eingesammelt und re-installiert werden können), mussten wir eine weitere Kursänderung in Kauf nehmen, und nochmals über Landmannalaugar fahren, also den Mýrdalsjökull nicht südlich sondern nördlich passieren. Besonders schade war, dass wir keine Gelegenheit mehr hatten, die schöne Umgebung des Campingplatzes direkt am Gletscher zu erkunden. Zwei Mitreisende sind dafür extra früh aufgestanden und haben sogar ein paar knurrende Polarfüchse gesehen.


Also ein letztes Mal weg von der asphaltierten Ringstraße und auf die rumpeligen Schotterpisten wechseln, wobei wir bezeugen können, dass diese Route deutlich sehenswerter ist.


Vorher legten wir noch einen kurzen Zwischenstopp ein und besichtigten den so genannten Kitchen Floor, eine weitere nicht natürlich anmutende Ausprägung vulkanischer Aktivität.




Auf der Fahrt ins Landesinnere verzog sich die Feuchtigkeit des Vortags in Form von Nebelschwaden und dampfenden Pisten sehr schnell und gab den Blick frei auf atemberaubende Landschaften, die uns erneut nicht natürlich sondern beinahe wie gemalt erschienen.



In Landmannalaugar legten wir eine etwas längere Pause ein und hatten ein letztes Mal die Gelegenheit zu einer Wanderung in einen nahe gelegenen Canyon (oder alternativ dem Besuch des Hotpots im Camp).


Erst gegen 21 Uhr trafen wir schließlich wieder in Reykjavik ein und bezogen unsere Zelte auf dem Campingplatz, den wir schon vom ersten Tag der Reise kannten. Natürlich war es noch taghell, und wir wurden mit einer weiteren Programmänderung überrascht. Das Wikinger-Team hatte uns nämlich ein tolles isländisches Abendessen gezaubert (welches gar nicht im gebuchten Reisepaket enthalten war). Es gab eine sehr schmackhafte Fischsuppe im Brotleib - wir schlugen uns die Bäuche voll, bis keiner mehr Papp sagen konnte!



Dann folgten die herzlichen Dankesreden und Verabschiedungen von Gülle und Timm. Ein letztes Mal hieß es nun auch “Hoch die Tassen” - schließlich wollte der letzte Alkohol korrekt entsorgt werden, d.h. Tee mit Rum bzw. Rum mit Tee ;-)


Ich war danach ziemlich erledigt und zog mich bald in unser Zelt zurück. Ricarda hingegen fühlte sich noch fit genug für einen Spaziergang zur Küste, wo ihr noch einige spektakuläre Aufnahmen vom Sonnenuntergang gelangen.





Samstag, 16.7.:

Von unserem letzten Tag gibt es nicht viel Berichtenswertes zu erzählen.

Wir standen relativ früh auf (aber bei Weitem nicht so früh wie einige Mitreisende, die quasi nachts ihren Rückflug antreten mussten), packten ein letztes Mal unsere Klamotten zusammen, hatten noch ein bisschen Zeit für eine schnelle Tasse Kaffee, eilten zum Bus und fuhren ohne Zwischenfälle zum Flughafen nach Kevlavik.


Der Rückflug verlief ebenso unspektakulär wie die Anreise, wobei wir diesmal aber weniger Wolken über Island sei Dank einige schöne letzte Blicke auf diese wunderbare Insel aus Feuer und Eis werfen konnten!


Am Ende haben wir schon unser warmes Bett zu Hause mit Klo in direkter Reichweite und private Duschen ersehnt. Die Klamotten bedurften allesamt einer gründlichen Tiefenreinigung, und Toastbrot hatten wir auch genug gehabt. Aber trotzdem haben wir alle die Insel mit einer ordentlichen Portion Wehmut verlassen, und Eindrücke mitgenommen, die wir an keinem anderen Platz der Welt so gefunden hatten. Wenn man von einem Gipfel weit in die Ferne auf bizarre Landschaften und völlig unregulierte Flusstäler schauen konnte, blieb einem kaum etwas anderes übrig als zur Ruhe zu kommen. Was mich (Ricarda) besonders fasziniert hat, war die Kombination von dieser besonderen Landschaft und einer recht gut funktionierenden Gesellschaft - angeblich gehören ja die Isländer zu den glücklichsten Menschen der Welt. Zumindest ist ihnen ständig klar, wie wenig wir in letzter Konsequenz der Natur entgegensetzen können.



Auf Wiedersehen Island!